Der Entwicklungs- und Lernprozess des Kindes basiert auf dem untrennbaren Wechselbezug von Sinnes - Wahrnehmung und Bewegung sowie körperlichen Wachsens und Reifens. Hierauf bauen kognitive, emotionale und soziale Entwicklung auf, sind miteinander verknüpft (= ganzheitlicher Entwicklungsprozess). Besonders im Kindergartenalter stehen Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen im Mittelpunkt allen aktuellen und zukünftigen Lernens. Die motorische Entwicklung des Kindes ist wesentlich für die Gesamtentwicklung, da alle anderen Lernbereiche in enger Verknüpfung stehen und/oder darauf aufbauen. Anhand der motorischen Entwicklung können Schlüsse auf die Gesamtentwicklung gezogen werden.Wir unterscheiden Grobmotorik (i.S.v. großmotorischen Bewegungen, wie z.B. laufen, hüpfen, springen) und Feinmotorik (i.S.v. kleinmotorischen Bewegungen, wie z.B. Kette fädeln, malen, schreiben, schneiden). Die Entwicklung verläuft vom Groben zum Feinen und vom Einfachen zum Komplexen.
Von großer Bedeutung für eine gute Bewegungsentwicklung (und damit für die Gesamtentwicklung) ist die Umgebung des Kindes. Daher bieten wir den Kindern ein umfangreiches und vielfältiges Angebot von Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungsmaterialien sowohl im Innen- als auch Außenbereich an.
Bewegung im Außengelände
Unser Außengelände ist konzipiert nach entwicklungspsychologischen und psychomotorischen Gesichtspunkten für Kinder im Kindergartenalter.
Eine Fülle von Bewegungsanreizen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und altersentsprechendem Aufforderungscharakter stehen zur Entdeckung bereit. Durch den ausgeprägten inneren Drang des Kindes zu Bewegung und Entdeckung der Welt, weckt alles ihre Neugier (= Lernmotivation) und muss ausprobiert werden (= experimentieren = versuchen, “gewagtes“ unternehmen), z.B. wie spritzt Pfützenwasser, wie kriege ich mich um die Reckstange gedreht, was kann man den Hügel runterrollen lassen? In unserem Außengelände befinden sich: Hügel mit Schwengelpumpe und Matschecke, Schaukeln, Kletterkombination mit Turm und Rutschen, Reckstangen, Holzhütten, verschiedene Untergründe (Platten, Rasen, Erde, Sand, Rindenmulch), Nutz- und Zierpflanzen in großer Zahl, eine Fülle mobiler Gerätschaften, wie z.B. Kreisel, Pedalos, Fahrzeuge (Roller, Dreiräder), Bälle, Sandspielzeuge, Schubkarren, Tonnen, Holzbauteile. Unsere Minis verfügen zusätzlich über einen direkt an den Räumen liegenden “kleinen Garten” mit altersentsprechenden Kletter- und Rutschmöglichkeiten, Stämme zum Ballancieren und einem Sandkasten.
Die tapsigen und noch unsicheren Bewegungen des Kleinkindes weichen den immer fließenderen Bewegungen des vor allem älteren Vorschulkindes, das seine Bewegungsabläufe „im Griff“ hat (= durch ständiges Wiederholen geübt, verinnerlicht, automatisiert).
Aus dem Gehen und Laufen des Kleinkindes entwickeln sich Rennen – mit `scharfen` Kurven, reaktionsschnelle Richtungswechsel, Hinkeln, geschicktes Klettern, Balancieren. Jedes Mäuerchen, jede Treppe, jeder Zaun `reizt` das Kind, fordert es auf aktiv zu werden. Sie balancieren, rollen, schaukeln, rutschen, wippen, springen Seil, spielen Ball, Hantieren mit Wasser und Sand und allem was vorhanden ist. Sie benutzen Werkzeuge (Hammer, Schaufel, Eimer, Seile, etc.), tragen, ziehen, schieben sich die Dinge zu Recht. Sie benutzen Fahrzeuge und alles, was Bewegung bringt. Sie lieben Tätigkeiten der Erwachsenenwelt, Rollenspiele und schaffen, bauen sich ihre eigenen Räume (Höhlen, Verstecke, Treffpunkte).
Immer wieder wiederholen, üben und festigen sie dabei Erfahrungen, sie entdecken Neues, neue Möglichkeiten mit sich, ihrer dinglichen und personalen Umwelt, machen also über ihre körperlichen Erfahrungen, Erfahrungen über sich selbst, eigene Möglichkeiten und Grenzen (Selbsterfahrung), lernen mit unterschiedlichen Materialien sinnvoll umzugehen (kognitive Erfahrungen), gehen Freundschaften ein, lernen sich in eine Gruppe einzufügen (Sozialerfahrung, Kommunikation).
Dabei setzen sie sich selbst Leistungsmaßstäbe, z.B. sie trauen sich in eine Tonne zu legen und gerollt zu werden - dabei lernen sie etwas über ihre eigenen Kräfte und vielleicht Grenzen, denn sich trauen und ausprobieren braucht Mut, bringt aber auch Stolz und Selbstvertrauen (= ICH trau MICH), Selbstbewusstsein (= ICH WEISS, was ich kann), Anerkennung von Anderen.
Gerade Gefühle höchster Anspannung, Erleichterung, Entspannung, lassen den Körper deutlich erspüren, erfahren, wahrnehmen (Eigenwahrnehmung) und in der Regel wissen die Kinder sich selbst sehr gut einzuschätzen in dem was sie können, könnten, oder noch nicht können.
Bewegung in den Räumen
..... in den Bildungsräumen
Wir verfügen über 9 Funktionsräume, die unterschiedlich gestaltet sind und einen hohen Aufforderungscharakter haben. Die vorbereitete Umgebung motiviert die Kinder zu selbstgewähltem Tun.
Die Räume sind entsprechend den Bedürfnissen, dem Entwicklungsstand und dem Alter der Kinder möbliert und mit Spiel- und Beschäftigungsmaterial ausgestattet. Aufgrund der Möbel und anwesenden Menschen ergibt sich zwangsläufig eine Begrenzung der grobmotorischen Bewegung, jedoch nur eine Begrenzung, kein Ausschluss. So werden z.B. Tische und Stühle im Rollenspiel als Schiff oder Auto umfunktioniert, Puppeneckeneinrichtungen werden zum Restaurant oder der Arztpraxis umgebaut oder die „Familie“ muss sich neu einrichten.
Diverse angeleitete Kreisspiele im Morgenkreis fördern grobmotorische Bewegungen und Körpererfahrungen bzw. Körperkenntnisse (auch: Sprachentwicklung, Rhythmik). Andere Lieder oder sogenannte Fingerspiele erfordern feinmotorische Bewegungen (auch: Sprachentwicklung, Rhythmik).
In den meisten Räumen, besonders im Atelier, liegt jedoch der Schwerpunkt im feinmotorischen Bereich. Hier wird gemalt, geschnitten und geklebt, es wird gewebt, gehäkelt, genäht, geknetet, gebaut gesteckt, gefädelt, gerissen, gesetzt, gezogen, geschoben, gedreht - mit unterschiedlichen Materialien und Spielen, die zur freien Verfügung stehen oder angeleitet eingesetzt werden.
Kleines Material erfordert kleine, feine Bewegungen – also feinmotorische Bewegungen. Diese gelingen mit zunehmendem Alter und Übung immer besser und: Eine gute feinmotorische Entwicklung basiert auf einer guten grobmotorischen Entwicklung.
..... in den Waschräumen
Neben ihrer eigentlichen Funktion (Toilettengang, Händewaschen = Selbständigkeit) werden die Waschräume auch zum Spiel mit Wasser genutzt (= Erfahrung mit Naturelement). Allein oder zu zweit, lassen die Kinder die Waschbecken volllaufen und ablaufen, lassen Enten schwimmen, „kochen Entensuppe“, füllen Messbecher, lassen Wasser durch Trichter laufen, stellen mit Seife Schaum her, halten mit ihren Fingern den Wasserhahn zu, werden nass, waschen sich das Gesicht, manchmal auch die Haare, taufen Puppen, u.v.m. Manches geschieht „heimlich“, wobei wir die Kinder in der Regel sehr wohl im Blick haben. Unzählige Körpererfahrungen, Denkleistungen und Handlungsplanungen werden gemacht, nebenbei auch Sozial- und Kommunikationserfahrungen, Natur – und Umwelterfahrungen. Einige Beispiele: Die Kinder verabreden sich gemeinsam im Waschraum spielen zu wollen (= Sozialerfahrung, Kommunikation, Handlungsplanung), sie machen taktile Erfahrungen: Kaltes Wasser –Warmes Wasser, starker Wasserstrahl, spritzendes Wasser, tröpfelndes Wasser (auch: Denkleistung – Erfahren von Ursache und Wirkung), Feinmotorik und Kraftdosierung ( = wichtig zum Halten und Führen einen Stiftes = Schreibvorübung) werden geübt, indem der Wasserhahnhebel betätigt wird oder eine Hand den Trichter hält und die andere Hand den Hebel betätigt (auch: Körperkoordination).
Neben allen wichtigen Erfahrungen achten wir selbstverständlich auf den Wasserverbrauch und vermitteln den Kindern, dass Wasser ein sehr kostbares Gut ist. Aber andererseits: Wie soll jemand etwas schützen und achten, was er gar nicht wertschätzen gelernt hat?
..... in der Turnhalle
An Großgeräten stehen zur Verfügung, z.B. Weichbodenmatten, Turnmatten, Sprossenwand, Turnbänke, Trampolin, Kasten, eine Vielzahl von Schaumstoffkissen zum Bauen. An Kleingeräten gibt es z.B. Rollbretter, Bälle, Tücher, Sandsäckchen, Wäscheklammern, Bierdeckel, u.v.m.
Die Kinder können in Kleingruppen dort spielen, es gibt freies Turnen und angeleitetes Turnen. Sowohl beim angeleiteten, als auch beim freien Turnen werden Bewegungen und Bewegungsabläufe spielerisch geübt oder bestimmte Wahrnehmungsbereiche gezielt angesprochen, z.B. Gleichgewichtsinn, taktiler und taktil-kinästhetischer Sinn (= Grundlage zur Körpereigenwahrnehmung).